von Dipl.Ing. H.-O. Geisel - 21.07.2009
Die Einführung der Gleichwellenfunktechnik bei den BOS
Der Schwerpunkt der folgenden Ausführungen liegt bei der Einführung der Gleichwellenfunktechnik bei den BOS, welche Gründe dazu führten, welche Zusammenhänge bestanden und welche Schwierigkeiten zu überwinden waren.
(Die Schilderung stammt von einem Beteiligten, der diese Entwicklung mit gestaltet hat Der Leser findet im folgenden besondere Hinweise des Verfassers in Kursivschrift.)
Funkversorgung
Für Funkverbindungen zur Kommunikation von mobilen Funkanlagen zur Leitstelle und untereinander werden Relaisfunkstellen – vorzugsweise im 4-m-Bereich – aufgebaut. Je nach Standort und Strahlungsleistung dieser Relaisfunkstelle ergeben sich von den topografischen Verhältnissen abhängige Reichweiten.
Die Nutzreichweite ist die Entfernung, bei der ein Nachrichtenaustausch in beiden Richtungen noch möglich ist. Die Störreichweite ist die Entfernung, in der die Aussendung eines Senders noch wahrnehmbar ist, dessen Nachrichteninhalt für den betreffenden Empfänger aber ohne Bedeutung ist.
Bei der Planung ist zu berücksichtigen, dass die Störreichweite bei zunehmender Strahlungsleistung und Standorthöhe überproportional zunimmt.
Die „Meterwellenfunk-Richtlinie“ und andere Vorgaben der Fernmeldeverwaltungen (Wiener Vereinbarung 2005) geben maximale Feldstärken an der Grenze des Versorgungsgebietes vor.
Zur Versorgung eines großflächigen Funkverkehrskreises gibt es mehrere Möglichkeiten:
An der höchsten Stelle des Versorgungsgebietes wird auf dem Betriebskanal eine Relaisfunkstelle errichtet. Das kann bei einem Versorgungsradius von 15 km mit einer Zeit- und Ortswahrscheinlichkeit von 80 % zu einer Störreichweite – schon bei normalen Ausbreitungsbedingungen – von 100 km führen. Das ist bei der Verteilung der Betriebskanäle – bei der Wiederholung des gleichen Kanals – zu beachten.
(Der Verfasser fand einen Einzel-Relais-Funkverkehrskreis bei der Feuerwehr Wuppertal 1964 vor. Der Relais-Standort war der Wasserturm Lichtscheid am höchsten Punkt im Stadtgebiet. Die Störreichweite betrug etwa 100 km bis in die Eifel. Durch eine Fernbesprechung von der Feuerwehr-Leitstelle über stadteigenes Kabel wurde die Modulation stets mit einem Brummton begleitet. Vielleicht erfolgte deswegen die Zuweisung des Reserve-Kanals 458 durch das Regierungspräsidium.
Der Versuch, eine weitere Relaisfunkstelle auf dem Von-der-Heydt-Turm zu errichten, lehrte den Verfasser erstmals die Tücken beim Aufbau von Relaisfunkstellen. Ein nasser Teppich, Hinterlassenschaft eines „Gastes“ auf dem Aussichtsturm, fiel bei der Entrümpelung von der obersten Plattform auf die Freileitung und sorgte für einen kräftigen Kurzschluss. Damit war die Stromversorgung zunächst unterbrochen.)
Bei nicht ausreichender Funkversorgung im Versorgungsgebiet, z. B. im Leitstellenbereich, wird eine weitere Relaisfunkstelle auf einem zweiten Betriebskanal errichtet. Das ist frequenzunökonomisch und erschwert den Funkbetrieb, auch weil sich nicht alle Fahrzeuge hören oder miteinander sprechen können. Außerdem müssen die Fahrzeuge je nach Standort den Kanal umschalten.
Es werden auf dem Betriebskanal zwei Relaisfunkstellen betrieben und durch Ruf I bzw. Ruf II gezielt je nach Standort des Fahrzeugs aufgetastet (Gleichkanalfunk). In besonders großen und topografisch schwierigen Funkverkehrsbereichen können auch bis zu vier Relaisfunkstellen auf dem gleichen Kanal unterschieden werden, wenn zu den beiden Tonrufen auch die Tonrufdauer als Unterscheidungskriterium herangezogen wird. Damit sind aber die Funkteilnehmer oft überfordert.
Besonders in großstädtischen Funkverkehrskreisen ist es oft die Verbindung vom Fahrzeug zur Leitstelle (heute: „up-link“ genannt), die wegen der schlechteren Strahlungsverhältnisse bei Fahrzeugen – erst recht beim Handfunkgerät – Probleme macht und die Reichweite begrenzt. Abhilfe schafften da schon in den 60er Jahren „Voting-Systeme“: Im Versorgungsgebiet wurden abgesetzte 4-m-Empfänger auf hohen Gebäuden – z. B. auf Schlauchtürmen – installiert und über Leitungen mit der Sprechfunkzentrale verbunden. Manchmal war dadurch eine ungefähre Ortsbestimmung der Unterband-Aussendung möglich. Das war bei blockierter Sendetaste einer Fahrzeuganlage hilfreich. Auch bei Aussendungen ferner Mitnutzer des gleichen Betriebskanal konnte der unerwünschte Empfang und dessen Wiederaussendung durch Abschalten des Haupt-Empfängers etwas reduziert werden.
(Der
Verfasser hat 1970 bei der Feuerwehr Düsseldorf ein solches
System mit abgesetzten 4-m- Empfängern, an den vier
Himmelsrichtungen orientiert, auf Schlauchtürmen von
Feuerwachen aufgebaut. Damit wurde die Rückrichtung von den
Fahrzeugen zur Leitstelle, aber auch die Erreichbarkeit des
Amtsleiters bei Sitzungen im Rathaus verbessert, der dort nur sein
SEM 56-820 mit 0,5 Watt Sendeleistung und „Tauchsieder“-Antenne
zur Hand hatte. Das System ist beschrieben im Roten Heft 45
„Feuerwehr-Sprechfunk“, 1. Auflage, S. 37.)
Aufbau einer „halben“ Gleichwelle: Die hochkonstanten Sender werden parallel und gleichzeitig betrieben und bekommen ihre Modulation phasenstarr („synchron“) über Funkzubringer auf einer Frequenz zugeführt.
Aufbau eines Gleichwellenfunk-Systems mit mehreren Relaisfunkstellen, die mit Hilfe von besonderen Funkzubringern - zunächst auf verschiedenen Kanälen, später mit einem Kanal - oder über Leitungen mit einer zentralen Steuereinrichtung verbunden sind und alle gleichzeitig senden.
Auch Systeme mit Relaisfunkstellen auf dem gleichen Kanal in RS-1-Schaltung und hochstabiler Sendefrequenz, aber ohne Zubringer zu den Standorten, werden großzügig inoffiziell auch als Gleichwellenfunk-Systeme bezeichnet, obwohl nicht alle Relaisfunkstellen gleichzeitig senden.
Die technischen und betrieblichen Vor- und Nachteile der verschiedenen Lösungen sind ausreichend in der Literatur beschrieben. Die firmenspezifischen Unterschiede sind im einem der folgenden Abschnitte erläutert.
Alle diese Lösungskonzepte von Funkproblemen hat es in der Praxis gegeben oder gibt es heute noch, obwohl manche längst nicht mehr zeitgemäß sind.
(Die Ankündigung von digitalen Sprech- und Datenfunksystemen bei den Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben vor zwanzig Jahren hat zu einem jähen Abbruch der Teilnahme an der technischen Weiterentwicklung bei „analogen“ Funksystemen geführt, obwohl aus heutiger Sicht manche „Optimierung“ noch sinnvoll gewesen wäre.)
(Der Verfasser hat sich stets bis zum Ende seiner beruflichen Laufbahn bemüht, den Nutzern von BOS-Funkkanälen zu zeitgemäßen und kosten orientierten Relaisbetriebssystemen zu verhelfen.)
Entwicklung der Gleichwellenfunk-Systeme
Die Elektrizitätsversorgungsunternehmen, kurz „EVU“ genannt, standen schon früh vor der Notwendigkeit, mit ihren Entstörungstrupps über große Entfernungen kommunizieren zu müssen. (Zur Erinnerung: Mobilfunknetze gab es noch nicht!)
Frequenzunökonomische Lösungen verhinderte die Fernmeldeverwaltung durch Kontingentierung der beschränkt verfügbaren Ressource „Frequenzen“ – anders als bei den BOS mit ihrer Eigenbewirtschaftung.
Schon 1950 begannen der Verband deutscher Elektrizitätswerke (VDEW) und die Deutsche Bundespost mit der Erstellung eines Pflichtenheftes für den EVU-Betriebsfunk. Insbesondere waren es das „Badenwerk“, das EVU im badischen Landesteil von Baden-Württemberg und die „Energieversorgung Schwaben“ (EVS) im württembergischen Teil, die mit der Entwicklung der Firma AEG-Telefunken in den siebziger Jahren die ersten Gleichwellenfunksysteme aufbauen konnten.
Das Prinzip der Gleichwelle ist aber schon älter: Ebenfalls aus Gründen der Frequenzknappheit wurden in den dreißiger und vierziger Jahren Gleichwellen-Sender für den Mittelwellen-Rundfunk betrieben. Für die Rundfunkhörer war der Empfang noch kein reiner Genuss, weil die Technik der Verbindung über Postmietleitungen vom Studio zu den Senderstandorten noch unzulänglich war. Auch konnte die notwendige hohe Konstanz der Sendefrequenz noch nicht realisiert werden.
(Ein Vorteil der Gleichwelle zeigte sich im II. Weltkrieg: Da sich Gleichwellen-Sender nicht eindeutig peilen lassen, konnten diese Rundfunksender nicht von den Bomber-Piloten zur Orientierung benutzt werden.)
Einführung der Gleichwellenfunk-Systeme bei den BOS
Mitte der siebziger Jahre gab es einige spektakuläre Geiselnahmen von Bankräubern, bei denen es zu Verfolgungsfahrten der Polizei durch mehrere Bundesländer kam. Solchen Situationen waren die damals üblichen Funksysteme nicht gewachsen und es kam zu fatalen Kommunikationspannen.
Die Technische Kommission im Arbeitskreis II der Innenministerkonferenz beauftragte daher die Ad-hoc-Gruppe „Einheitlicher Anrufkanal und Gleichkanalfunknetze“, für die Polizeien des Bundes und der Länder technische Lösungen mit der Fernmeldeindustrie zu erarbeiten. Man orientierte sich besonders auf den bereits 1968 bei der Umstellung auf das 20-kHz-Raster ausgewiesenen Kanal 444, um ihn bundesweit in der Fläche nutzen zu können. In einigen Ländern gab es dafür an den höchsten Punkten auf diesem Kanal Relaisfunkstellen, über die man eine Polizei-Funkvermittlung erreichen konnte, eben als „Not- und Anrufkanal aller BOS“. Für Führungszwecke war er betriebstechnisch nicht geeignet, aber auch nicht gedacht.
Die Firma MOTOROLA führte der Ad-hoc-Gruppe anlässlich der 2. Sitzung im Oktober 1978 ein Gleichwellenfunk im Landkreis Hannover vor. Die Relaisstellen standen in Hannover-Kirchhorst, Deister und Hildesheim. Als Zubringer in Richtung 4-m-Sender wurden drei 2-m-Kanäle verwendet, die Rückrichtung von den 4-m-Empfängern verlief über Drahtleitungen. In der Funkschau 1979, Heft 5, wurde darüber berichtet. Es gilt als erstes Gleichwellenfunk-System bei den BOS.
Auch schon sehr früh bot die Firma BBC aus der Schweiz Gleichwellenfunk-Systeme mit dem so genannten „Einfrequenzrelais Veriphon RT31“ Typ EFR 31-16-3 an.
Auf fünf Sitzungen von März 1978 bis Februar 1980 gelang es, die besonderen Anforderungen der BOS an Gleichwellenfunk-Systeme zu beschreiben. Die Fernmeldeindustrie wurde aufgefordert, unter praktischen Betriebsbedingungen solche Systeme aufzubauen. Eine „Bewertungskommission“ der Ad-hoc-Gruppe sollte dann die grundsätzlich Eignung und die Auswirkung verschiedener firmenspezifischer Lösungen feststellen.
Der Entwicklungsstand der Firma Bosch wurde in einem Gleichwellenfunk-System ebenfalls im Raum Hannover dargestellt. Zur Versorgung des Landkreises von der Rettungsleitstelle Ronnenberg aus wurden vier Relaisfunkstellen in Laatzen (Messehochhaus), Neustadt (Krankenhaus), Burgdorf (Fw-Schlauchturm) und in Mellendorf errichtet. Besonderheit war die Verwendung nur eines 2-m-Zubringerkanals. Bei der 5. Sitzung im Februar 1980 hat die Firma Bosch über Einzelheiten berichtet. Der Bericht wurde in der Zeitschrift „Polizei-Technik-Verkehr“ 1981 veröffentlicht.
Im Januar 1982 wurde ein System der Firma AEG mit 2-m-Zubringern im Landkreis Diepholz getestet, am nächsten Tag eines der Firma BOSCH mit 8-m-Zubringern im Landkreis Goslar. Das Ergebnis: Geeignet, eine Verbesserung im Versorgungsgebiet durch den „Auffülleffekt“, aber eine Zunahme von Nebengeräuschen, so stand es im Bericht an die Technische Kommission im Februar 1982.
Später bekam auch die Firma Heinr. Pfitzner TELETRON die Chance, den Kreis der Anbieter zu vergrößern und ein Gleichwellenfunk-System der Polizei mit 2-m-Zubringern im Raum Marburg in Hessen mit Relaisfunkstellen in Wehrshausen (Zentrale), Biedenkopf, Holzhausen und Amöneburg aufzubauen. Es wurde als Zubringer ein Kanal im 2-m-Bereich verwendet. Die Bewertungskommission erprobte das System im November 1983 vor Ort und berichtete der Technischen Kommission bei deren Sitzung am 8. Dezember 1983.
Der Bundesgrenzschutz betrieb um 1983 an der Grenze zur Schweiz ein Gleichwellenfunk-System im 2-m-Bereich mit Relaisfunkstellen in Freiburg und Lörrach zur Grenzkontrolle.
Der Rettungsdienst im Saarland war auch ein frühzeitiger nichtpolizeilicher Betreiber eines Gleichwellenfunk-Systems (Fabrikat AEG-TELEFUNKEN), damit die zuständige Leitstelle in Saarbrücken landesweit erreichbar war. Es wurde ein 4-m-Kanal für die Sender-Modulationszubringer verwendet und die Rückrichtung verlief über Drahtleitungen zur Empfängerauswahl.
Die Ad-hoc-Gruppe, inzwischen unbenannt in „Neue Sprechfunkgerätegeneration“ und entsprechend beauftragt, befasste sich auf ihrer dritten (April 1983) und vierten (September 1983) Sitzung noch einmal mit dem Thema „Gleichwelle“ und legte auftragsgemäß der Technischen Kommission im Februar 1984 eine Aufstellung aller bis dahin errichteten Gleichwellenfunk-Systeme als Referenz-Übersicht vor.
Entsprechend dem Beschluss der Technischen Kommission bei der 112. Sitzung wurde dann für alle Länder bei der 119. Sitzung „Planungshinweise für Gleichwellenfunk-Netze der BOS“ beschlossen und im Juni 1987 versandt.
Hinweis: Die erste Sitzung dieser Ad-hoc-Gruppe „Neue Sprechfunkgeräte-Generation“ am 19. Februar 1981 ist sozusagen der historische Anfang der Bemühungen um den später so genannten „Digitalfunk“. Zunächst befasste man sich aber mit der Zielrichtung, die Anzahl der nutzbaren Kanäle für die Polizei zu erhöhen: „Automatische Kanalwahl“ - heute als Bündelfunk bekannt - zwecks Mitnutzung der Kanäle der nichtpolizeilichen BOS, Verringerung des Kanalrasters, z. B. auf 10 kHz, die am Einspruch des Bundespostministeriums scheiterte, und „Frequenzhopping“ waren die damaligen Lösungsansätze. Wirkliche Ursache des chronischen Kanalmangels waren die großen Störreichweiten exponierter Standorte und erhöhte Strahlungsleistungen. Aber das wird in einem anderen Bericht beschrieben.
Besonderheiten des Gleichwellenfunks
Wie schon beschrieben benötigen Gleichwellenfunk-Systeme besondere Zwei-Weg-Verbindungen („Duplex“) zwischen den einzelnen Relaisfunkstellen, auf denen die Modulation vom 4-m-Empfänger im Unterband (mit Bewertungskriterium) und die Modulation zum 4-m-Sender im Oberband übertragen wird. Die Laufzeiten der Sender-Modulation sind zu berücksichtigen und die Sendefrequenz muss hoch stabil sein.
Drahtleitungen („Stromwege“) sind für diese Verbindungen innerhalb des Systems grundsätzlich nicht geeignet: Nur wenn der Betreiber des Funksystems selbst über eigene Leitungen verfügt, weil er dem jahrzehntelangen Monopolanspruch der Deutschen Bundespost entrinnen konnte, sind solche nutzbar.
Nach den damaligen Vorschriften der Bundespost unterlagen posteigene Stromwege und ausnahmsweise gestattete Funkverbindungen (auf besonderen Frequenzen) der gleichen Gebührenregelung: 2 DM pro Monat und je 100 m Luftlinie.
!980 wurde eine Auseinandersetzung zwischen dem Erftkreis bei Köln, der für Feuerwehr mit Rettungsdienst eine Gleichwelle errichten wollte, und den örtlichen Bundespost-Dienststellen in die „Arbeitsgruppe Fernmeldewesen im Arbeitskreis V“ getragen. Danach wurde das Thema im „Arbeitskreis Zusammenarbeit mit der Bundespost“ diskutiert.
Eine missverständliche Äußerung der Firma AEG sorgte für allerlei Konfusion. Das Bundespostministerium als hoheitlicher Verteiler von Frequenzen für die verschiedensten Zwecke, lehnte die Nutzung – auch mit den BOS zugeteilten - Funkkanälen ganz im Sinne der Deutsche Bundespost als Anbieter von teuren Stromwegen ab. Sie berief sich auf die Aussage der Firma AEG dass „auch Stromwege mit automatischer Laufzeitkorrektur“ für Verbindungen in Gleichwellenfunk-Systemen geeignet seien. Übersehen wurde dabei, dass dies eine theoretische Betrachtung war, weil es eine derartige Baugruppe noch gar nicht gab.
Das Bundespostministerium hatte auch Bedenken wegen der Zusammenschaltung verschiedener Fernmeldeanlagen. Drahtleitung galten als „Abzweigleitungen“, wenn sie mit einer anderen Fernmeldeanlage, als solche galt die Funkvermittlung bzw. Abfrage in der Zentrale/Leitstelle, verbunden waren. Bei der Nutzung von Zubringern, sozusagen der Verbindung von zwei Funkverkehrskreisen, lösten sich die Probleme erst mit dem Hinweis, dass es sich fernmelderechtlich nur um eine RS-2-Schaltung handelt. Die war für die BOS nach der geltenden „Meterwellenfunk-Richtlinie“ erlaubt.
(Die in der Arbeitsgruppe „Zusammenarbeit mit der Bundespost“ – die Bezeichnung klingt wie Hohn – diskutierten Themen wären einen eigenen Bericht Wert. Allerdings würden die aus heutiger Sicht unglaubwürdig klingen und Kopfschütteln bewirken.)
Trotz der ständigen, aber erfüllten Forderungen der Polizei nach weiteren Kanälen (Erweiterung des 4-m-Bereichs unterhalb Kanal 400, Zuweisung des neuen 2-m-Bereichs Kanal 101 bis 125 mit Verwendung von zweimal neun Kanälen für Zubringer-Funkverbindungen) erkannte das Bundespostministerium die Nöte der nichtpolizeilichen BOS an: Für ihre geplanten Gleichwellenfunk-Systeme waren kaum verwendbare Kanäle übergeblieben. Es wurde auch anerkannt, dass man verzweifelt versucht hatte, die dafür wenig geeigneten Kanäle des 8-m-Bereichs zu nutzen. Diesen Bereich, früher für den Luftschutzdienst vorgesehen, hatte sogar die Polizei verschmäht.
Die im den Jahren 1988 und 1989 temperamentvoll geführten Verhandlungen mit dem Bundespostministerium waren auch begleitet mit Forderungen der damaligen Deutsche Demokratische Republik nach dem halben Frequenzspektrum in Grenznähe, wozu sie sich als autonomer Staat berufen fühlte. Verhandlungsergebnis war die Zuweisung von 110 Duplex-Kanälen im 70-cm-Bereich bei 443 bis 449 MHz an die BOS.
Die Bundespost machte aber deutlich, dass damit die Forderung nach weiteren Frequenzen für die BOS ein Ende haben müsse. Sie erwartete, dass in den folgenden zehn Jahren alle 2-m-Zubringer durch solche im 70-cm-Bereich ersetzt werden. Damit sollte den Polizeien ermöglich werden, durch den Ersatz von 2-m-Zubringern durch solche im 70-cm-Bereich zusätzliche Kanäle für bewegliche Einsätze (Einsatzstellenfunk) zu gewinnen. Im Hinblick auf den „nahenden Digitalfunk“ scheute man aber vielfach die damit verbundenen Kosten, denn oft war die Zubringerfunkanlage nicht separat auswechselbar und eine Umstellung nur durch eine Erneuerung der gesamten Relaisfunkstelle möglich.
So konnten ab 1990 dann im wünschenswerten Umfang, insbesondere nun auch bei den nichtpolizeilichen BOS, Gleichwellenfunk-Systeme mit Zubringern im 70-cm-Bereich errichtet werden. Zuvor war schon getestet worden, ob das 12,5-kHz-Raster hinsichtlich Frequenzgang in der Lage war, bei der Alarmierung mit 5-Ton-Folgeruf auch den Wiederholton 2600 Hz zu übertragen.
Allerdings mussten die Firmen an den ersten Projekten zunächst lernen, dass Zubringer im 70-cm-Bereich und mit 12,5-kHz-Raster anders aufgebaut werden müssen als die bisherigen im 2-m-Bereich. (Optische Sicht!)
Leider haben die Verantwortlichen in den Ländern bei der Einführung der Gleichwelle die Mühe gescheut, die bisherigen Relaisstellen an exponierten Standorten durch niedrigere zu ersetzen. Damit blieben die Störreichweiten und die Belästigungen bei Benutzern des gleichen Betriebskanals erhalten. Auch die alten 2-m-Zubringer waren nach 100 km noch in anderen Bundesländern aufzunehmen. Es wurden lediglich einige Relaisfunkstellen ergänzt, um die bisherigen Lücken in der Funkversorgung zu schließen.
Firmenspezifische Unterschiede bei Gleichwellenfunk-Systemen
In Gleichwellenfunk-Systemen muss allen Sendern die Modulation in gleicher Phasenlage zugeführt werden. Damit wird die Laufzeit der Zubringerfunkverbindung mit der größten Entfernung zum Bezug genommen und alle anderen Funkstrecken elektrisch vergrößert. Bei der Verlegung von Relaisfunkstellen ist das zu beachten. Außerdem müssen die Sender mit der (fast) gleichen Frequenz senden, damit der Empfänger, z. B. bei der Fahrzeugfunkanlage den Eindruck hat, die Aussendung stamme von einem Sender. Bei Abweichungen gibt es Überlagerungsgeräusche.
In Rückrichtung vom Fahrzeugsender zu den Relais-Empfängern ist eine Auswahl nur eines 4-m-Empfängers notwendig, dessen Ausgang dann als Modulation über die Zubringer allen Gleichwellensendern zugeführt wird. Üblicherweise wird die Aussendung eines Fahrzeugs bei mehreren Relaisfunkstellen empfangen. Auch wiederum mit verschiedenen Laufzeiten, die vom Standort abhängig sind.
Bei der Bewertung am Empfangsort und der Übertragung des Bewertungsergebnisses zur Empfängerauswahl bei der zentralen Steuerung unterscheiden sich die Prinzipien der verschiedenen Firmen.
Die Firma AEG setzt die Stärke des 4-m-Empfangs um in eine proportionale Sendeleistungssteuerung des 70-cm-Senders. Die jeweilige Grundleistung wird so eingestellt, dass beim 70-cm-Empfänger bei der zentralen Relaisstelle die jeweils am besten empfangende Relaisstelle für einen rauschfreien Empfang sorgt. Diese Modulation wird dann allen 4-m-Sendern zugeführt. Die Bewertung erfolgt bei jeder Aussendung neu, auch während der Sendung eines fahrenden Fahrzeugs.
Vorraussetzung ist hierbei, dass alle 70-cm-Sender bei den Relaisstellen ebenfalls eine hohe Frequenzkonstanz haben müssen, weil sie gleichzeitig senden, aber mit unterschiedlicher Leistung. Innerhalb des Systems existiert also eine weitere Gleichwelle, von „außen“ nach „innen“ (= „Doppelte Gleichwelle“). Die jeweils am besten empfangende Relaisfunkstelle ist allerdings bei der Zentrale nicht erkennbar.
Der Schutz der Zubringer-Funkstrecken erfolgt durch einen Pilotton am oberen Ende des niederfrequenten Übertragungsbereichs.
Die Firma Bosch bewertet die Stärke des empfangen Signals am 4-m-Empfänger bei der Relaisstelle, speichert ihn und übermittelt ihn in einem Zeitschema der Abfrage, die durch die Steuerung automatisch erfolgt. Diese Prozedur ist umso länger, je mehr Relaisfunkstellen im System vorhanden sind. Die jeweilige Relaisstelle identifiziert sich mit einem Subton, d. h. durch einen unterlagerten Ton unterhalb 300 Hz. Die jeweils von der Empfängerauswahl ausgesuchte Relaisstelle bzw. deren Empfänger ist bei der Zentrale (Leitstelle) erkennbar und diese Modulation wird dann allen 4-m-Sender zugeführt. Das Ende der Bewertung wird den Funkteilnehmern mit einem kurzen Ton signalisiert. Sie können dann mit dem Funkgespräch beginnen.
Die Firma Pfitzner/Teletron musste sich etwas Neues einfallen lassen. Das Signal am 4-m-Empfänger bei der Relaisstelle wird in drei Stufen klassifiziert. Jede Relaisstelle hat eine Kennung in Form eines Bitmusters. In der Übertragung der Modulation vom 4-m-Empfänger über den Funkzubringer wird durch Komprimierung in regelmäßigen Abständen ein Zeitschlitz gebildet, in dem dann die Kennung und das Empfangs-stärke-Bit zur Steuerung übertragen werden. Die Steuerung wählt den Relais-Empfänger mit der höchsten Empfangsstärke aus und überträgt dessen Modulation rückwärts über den Zubringer an alle Relais-Sender. Durch die schnelle Bewertung wird auch innerhalb der Aussendung eines fahrenden Fahrzeugs ggf. auf eine andere Relaisstelle mit besserem Empfang umgeschaltet. Bei der Zentrale / Leitstelle ist ständig auf einem LED-Feld erkennbar, welche Relaisstelle welche Empfangsstärke hat und welche die Steuerung zur Wieder-Aussendung ausgewählt hat.
Das Prinzip erzeugt durch Komprimierung/Dekomprimierung für den Zeitschlitz einen hörbaren Zeitversatz zwischen Aussendung und Wieder-Empfang (Rückhören) im Handapparat bei der Fahrzeuganlage.
Der Schutz der Zubringerstrecken gegen fremde Träger von außerhalb ist durch die Erkennung der speziellen Bitmuster von den vorhandenen Relaisstellen in der Steuerung gegeben.
Prüfung von Relaisfunkstellen
Relaisfunkstellen sind wesentliche Komponenten von Gleichwellenfunk-Systeme, in Technischen Richtlinien beschrieben und damit prüffähig.
Die Technische Richtlinie „Relaisfunkstellen“ besteht aus den Teilen A bis E. In Gleichwellenfunk-Systemen kommen Relaisfunkstellen nach Teil C: „Ortsfeste Relaisfunkstellengeräte für erhöhte Gesamtanforderungen“ und nach Teil E: „Zubringergerät mit reduzierten Leistungsmerkmalen“ zur Anwendung.
Weiterführende Informationen
Die Firma Schnoor Industrieelektronik GmbH & Co. KG aus 24782 Büdelsdorf (http://www.schnoor-ins.com) hat weitere Informationen zum Gleichwellenfunk auf ihrer Homepage veröffentlicht. Die Produktinformation zu Gleichwellenfunksystemen geht detailliert auf die ortsfeste Funkstelle FSO-4 der Firma Bosch ein.
Bei den am häufigsten eingesetzten Gleichwellenfunkanlagen handelt es sich um die Geräteserie Teleregent von AEG-Telefunken bzw. die FSO-Serie von Bosch.
Literaturhinweise
Krause, Klaus
Flächendeckende Funknetze im BOS-Bereich
in Polizei-Technik-Verkehr 1981, Heft 12
Vogt, Gottfried
Gleichwellenfunk
1984, AEG-TELEFUNKEN, Ulm
Geisel, Heinz-Otto
Möglichkeiten der Gleichwellenfunktechnik
in Referateband, 7. Bundeskongress der Notärzte, Juni 1987,
Verlagsgesellschaft
Stumpf & Kossendey, Edewecht
Geisel,
Heinz-Otto
Funkversorgung mit Gleichwellenfunk-Systemen
in Brandschutz 1996, Heft 12 , Kohlhammer-Verlag Stuttgart
Benndorf, Holm
Gleichwellenfunk – Phänomen der Gleichwellen-Ausbreitung
in TELEFUNKEN nach 100 Jahren, 2003, Nicolai-Verlag
Geisel, Heinz-Otto
Optimierung analoger Funksysteme
in Brandschutz 2005, Heft 4, Kohlhammer-Verlag Stuttgart
Begriffe:
Prendke, Wolf-Dieter
Lexikon der Feuerwehr
3. Auflage 2005, Kohlhammer-Verlag, Stuttgart